Erwerbs- und Verdienstausfallschaden
Treten nach einem Verkehrsunfall durch die dadurch verursachten Verletzungen vorübergehen oder dauernd Einkommensverluste ein, so besteht gegen den Verursacher des Schadens ein entsprechender Ersatzanspruch.
In der Regel muss ermittelt werden, wie sich die Einkommens- und Verdienstverhältnisse des Geschädigten ohne das Dazwischen-Treten des Unfallereignisses entwickelt hätten (Ermittlung des hypothetischen künftigen Einkommens auf Grund einer Prognosebildung).
Entgangener Gewinn bei Selbständigen
Bei Selbständigen ist die Prognose über eine künftige hypothetische Einkommensentwicklung wegen der in der Regel ungleichmäßigen Gewinnerzielung und wegen der Risiken selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit schwieriger zu erstellen.
Vielfach müssen daher unter Heranziehung nicht allein der Daten aus einem angemessenen Zeitraum der Vergangenheit noch besondere Umstände der betroffenen Branche und des individuellen Betriebes des Geschädigten von den Gerichten zu einer Schätzung der Zukunftserwartungen herangezogen werden.
Zur Berechnung des Einkommensschadens für einen Alleingesellschafter und einzigen Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft siehe instruktiv und ausführlich OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.05.2011 – I-1 U 220/10):
1. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Ihn trifft auch nicht die Obliegenheit, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, um die Reparaturkosten vorzufinanzieren.
2. Wird der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft in Folge einer Arbeitsverletzung arbeitsunfähig und entgeht seiner Gesellschaft dadurch ein Geschäftsgewinn, kann er diesen Verlust als eigenen Schaden vom Schädiger ersetzt verlangen.
3. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Verdienstausfall eines Selbständigen entweder durch die Kosten einer Ersatzkraft, abstrakt nach dem wahrscheinlichen Gewinnentgang oder konkret durch Berechnung des entgangenen Gewinns aus bestimmten Geschäften zu berechnen. Eine Vermischung der Berechnungsformen ist nicht zulässig. Es ist aber zulässig, die einzelnen Berechnungsformen in ein Verhältnis von Haupt- und Hilfsvorbringen zu stellen.
4. Dem Grundsatz, dass der bloße Wegfall der Arbeitskraft noch keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, kommt gerade beim Selbstständigen besondere Bedeutung zu. Bei ihm bestimmt sich der Wert seiner Tätigkeit gerade nicht nach Dauer und Intensität des Arbeitseinsatzes, sondern nach dem dadurch erzielten wirtschaftlichen Erfolg. Erst wenn der Wegfall zu einer Vermögenseinbuße führt, liegt ein Schaden vor. Die bloß abstrakte Berechnung des Wertes seiner Arbeitskraft reicht nicht aus.
5. Ist der Verletzte als Geschäftsführer einer GmbH gleichzeitig Gesellschafter der Arbeitgeberin, kann er vom Haftpflichtigen Erstattung seines während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit fortgezahlten Geschäftsführergehaltes nur verlangen, wenn das gezahlte Gehalt des Alleingesellschafters eine echte Tätigkeitsvergütung darstellt. Ob allerdings die vertraglich zugesagte Vergütung ein echtes Arbeitsentgelt darstellt, bedarf einer besonders genauen Überprüfung. Insbesondere „Mondscheingehälter“ sind nicht zu ersetzen. Erwirtschaftet die Gesellschaft keine ausreichenden Umsätze, um neben weiteren Geschäftskosten auch noch den Geschäftsführer zu bezahlen, fehlt es am entsprechenden Schadensersatzanspruch. Das mit dem Alleingeschäftsführer einer GmbH vereinbarte Geschäftsführergehalt kommt nur dann als Bemessungsgrundlage für den Erwerbsschaden in Betracht, wenn es mit der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der GmbH tatsächlich vereinbar ist.
Verdienstausfall bei Arbeitnehmern
Wesentlich weniger Probleme als bei der Berechnung des Gewinnentgangs bei Selbständigen treten bei der Geltendmachung und Berechnung des Verdienstausfalls bei der Verletzung von abhängig Beschäftigten auf.
Bei den in den meisten Fällen gleichbleibenden Bezügen lässt sich mit entsprechenden Einkommensnachweisen über einen nicht allzu langen Vergleichszeitraum vor dem Unfall eine recht zuverlässige Prognose über ein hypothetisches Einkommen erstellen. Wegen etwaiger unregelmäßiger Zahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sollte allerdings ein Zeitraum von einem Jahr vor dem Unfall herangezogen werden.
Schwierigkeiten treten bei der Bewertung bestimmter Einkommenspositionen insofern auf, als zunächst entschieden werden muss, ob es sich überhaupt um Einkommen oder eher um eine Auslagenerstattung handelt (vgl. beispielsweise die Auslandszulagen von Soldaten oder Gefahrenzulagen für Polizeibeamte im Gegensatz zur sog. Auslöse bei Fernkraftfahrern).